Ehrbares Handeln und Digitalisierung: Möglichkeiten vs. Risiken

Die Wirtschaft, gesellschaftliche Gruppen, Nationen und politische Bündnisse stehen nicht nur im Zuge der Digitalisierung unter einem enormen Transformationsdruck. Die Globalisierung hat weltweit zu mehr Wohlstand und Sicherheit geführt. Doch die Folgen unseres Handelns sind vielfältig: Klimawandel, Pandemien, Kriege und zunehmende Debatten, die politische Systeme in Frage stellen. Können das Konzept der ehrbaren Kaufleute und die Digitalisierung Teil der Lösung sein? 
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Zugegeben, dieser Artikel beginnt bereits im Teaser mit einem harten Brett. Doch die Zeiten sind (vorerst) vorbei, in denen man an die romantisierten Versprechen der Optimierung der (Geschäfts)Welt durch Digitalisierung allein glauben kann. Dies war übrigens auch niemals der Fall und dennoch hat sich dieses Bild irgendwie durchgesetzt: Digital würde alles besser. Richtig ist, dass diejenigen profitieren, die die Digitalisierung verstehen, beherrschen und richtig um- bzw. einsetzen.  
Gewinner sind die Unternehmen, die digitale Geschäftsmodelle haben und vollständig digitalisiert sind.
Empirisch stimmt diese Aussage, jedoch sorgt die Digitalisierung auch seit Jahrzehnten für Herausforderungen, die nicht zu unterschätzen sind:
Die Auflistung spricht für den Großteil der Probleme bzw. Themen in Unternehmen und lässt sich um weitere, individuelle und branchenspezifische Punkte ergänzen. 
Im impulsnetzwerk.ihk.de untersuchen wir in der Regel die direkten Möglichkeiten und Auswirkungen digitaler Lösungen sowie Megatrends im Unternehmenskontext. In diesem Artikel soll das IHK-Grundkonzept des ehrbaren Handelns als Beitrag zur digitalen Transformation - und vielleicht auch umgekehrt - genauer beleuchtet werden.
Eine Aufschlüsselung der einzelnen Komponenten, um sie am Ende zu einem aussagekräftigen Fazit zusammenzuführen, ist unvermeidlich. Ehrbares Handeln war bereits vor der Digitalisierung ein gesetzter Begriff, womit sich der erste Abschnitt begründet und anschließend Digitalisierung und digitale Transformation in Zusammenhänge gestellt werden. 

Ehrbares Handeln: ein Definitionsversuch

Ehrbares Handeln bezieht sich auf Verhaltensweisen, die von Integrität, Aufrichtigkeit und einem Sinn für Gerechtigkeit geprägt sind. Die Definition dessen, was als "ehrenhaft" betrachtet wird, variiert  allerdings kulturell, historisch und individuell.
So beinhaltet ehrbares Handeln aus der westlichen betrachteten Sichtweise folgende Punkte:
  • Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit: die Wahrheit sagen, Versprechen halten und weder zu betrügen oder zu täuschen.
  • Integrität: konstanter moralischer Charakter, stets das tun, was man für richtig hält, selbst wenn niemand zuschaut.
  • Verantwortung übernehmen: Für die eigenen Handlungen und Entscheidungen Verantwortung übernehmen, insbesondere wenn sie negative Konsequenzen haben.
  • Fairness: Andere mit Gerechtigkeit und Gleichheit behandeln, ohne Vorurteile oder Diskriminierung.
  • Respekt: Die Rechte, Gefühle und Meinungen anderer respektieren und mit Würde und Achtung begegnen.
  • Mut: Die Fähigkeit, das Richtige zu tun, selbst wenn es schwierig oder gefährlich ist. Mut sollte aber nicht mit Wagnis verwechselt werden
  • Selbstlosigkeit: Andere vor sich selbst zu stellen und bereit zu sein, persönliche Opfer für das Wohl anderer zu bringen.
Der Begriff "ehrenhaft" hat je nach kulturellem, religiösem oder individuellem Kontext unterschiedliche Nuancen. Was in der einen Kultur als ehrenhaft betrachtet wird, könnte in einer anderen als weniger ehrenhaft angesehen werden. Daher ist es wichtig, den regionalen bzw. kulturellen spezifischen Kontext zu berücksichtigen, wenn von Ehre gesprochen wird. Unter dem Bonusmaterial am Ende dieses Beitrags werden einige Impulse im Hinblick der von der UN vereinbarten SDGs (Sustainable Development Goals) und ehrbares Handeln aufgelistet.
Der Begriff "ehrbares Handeln" (oder "Ehre" im Allgemeinen) hat tiefe historische und kulturelle Wurzeln, die sich über verschiedene Zivilisationen und Zeitalter erstrecken. Einen genauen Ursprung für den Kodex des ehrbaren Handelns festzulegen, da Vorstellungen von Ehre und ehrlichem Verhalten in vielen Kulturen unabhängig voneinander entstanden sind, ist schwierig. Nachstehend einige bemerkenswerte historische und kulturelle Bezüge, ohne diese auszuschmücken:
  • Antike Zivilisationen (bspw. Ägypter, Griechen, Römer, und Chinesen)
  • Ritterlicher Kodex
  • Konfuzianismus und religiöse Schriften und Institutionen
  • Rechtsstaatlichkeit (bspw. Autokratien, Technokratien, Demokratien)
  • Bürgerliche Tugenden
Interessant: Zwar unterscheiden sich Vorstellungen je nach kulturellem, historischem und sozialem Kontext, aber der Grundgedanke, dass es in Kollektiven bestimmte Verhaltensnormen gibt, die respektiert und befolgt werden sollten, besteht nahezu universell.

Passen Digitalisierung und ehrbares Handeln zusammen?

Die Digitalisierung an sich ist neutral, sie stellt Werkzeuge und Plattformen bereit, die das Potenzial haben, sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Verhalten von Einzelpersonen und Organisationen zu haben.
Die Frage, ob Digitalisierung ein Problem für ehrbares Handeln darstellt, hängt davon ab, wie diese Technologien genutzt werden. Einige Bedenken und Überlegungen:

Die negative Seite der Medaille

  • Fehlinformation und Desinformation
    • Laut NSA stellen die größten Gefahren für demokratische Länder Fehlinformationen und Sabotage dar, sogar vor Hackerangriffen und krimineller Machenschaften im Dark und Internet.
    • Digitale Plattformen (bspw. Facebook, Instagram, TikTok, YouTube etc.) tragen maßgeblich dazu bei, Fehlinformationen oder absichtliche Desinformationen zu verbreiten.
    • In der Umschlagsgeschwindigkeit von Informationswellen - und neuerdings durch generative KI-gestützte Tools – lassen sich wahrheitsgemäße und irreführende  Informationen kaum mehr unterscheiden.
  • Datenschutz und Überwachung
    • Die Digitalisierung hat es Unternehmen ermöglicht, eine beispiellose Menge an Daten über Einzelpersonen zu sammeln.
    • Es bedarf ethische Richtlinien und Regulierung, um den Missbrauch persönlicher Daten und Verletzungen der Privatsphäre zu schützen.
  • Anonymität
    • Die Anonymität im Internet hat dazu geführt, dass Menschen aller Gesellschaftsmilieus weniger verantwortungsbewusst handeln, da sie häufig keine  Konsequenzen zu erwarten haben.
    • Zwar handelt sich das Web nicht um einen rechtsfreien Raum, doch noch können Polizei und andere Rechtsschaffenden Institutionen die Flut an Daten und Missbrauch nicht bewältigen.
    • Das Verhalten aus diesen Möglichkeiten springt teilweise auf Arbeitgeberbewertungsplattformen, Google Einträge und weitere über. Sie finden wahrscheinlich mehr negative Einträge zu einem Ereignis als positive. 
  • Persönliche, „echte“ menschliche Interaktion
    • Die Digitalisierung hat bereits die Art und Weise verändert, wie Menschen miteinander interagieren und umzugehen pflegen.
    • Das Arbeiten und Kommunizieren auf Distanz hat bereits vor Corona den Umgang miteinander verändert. Doch auch die Kommunikation per se hat sich radikal verändert. So wird mehr per Videokonferenzen kommuniziert als per Telefon. Oder Textnachrichtendienste wie WhatsApp oder X sorgen für weitere Möglichkeiten, in Kontakt mit anderen zu bleiben, ohne sie persönlich zu treffen – mit all seinen Vor- und Nachteilen.
  • Wirtschaftliche Überlegungen
    • Digitalisierung führt immer mehr zu einem verstärkten Wettbewerb und übt Druck auf Unternehmen aus, was zusätzlich zu weniger ethischen Geschäftspraktiken führen kann.
  • Erziehung und Bildung
    • Die Abhängigkeit von digitalen Technologien in der Bildung hat bereits dazu geführt, dass junge Generationen mit anderen Mindsets in die Betriebe kommen.
    • Mit den bereits aufgeführten Punkten werden erste Defizite zu ethischer und moralischer Bildung und Bindung an Gesellschaftssysteme sichtbar.

Positive Aspekte und Möglichkeiten

Soweit die negativen Aspekte augenscheinlich dominieren, so gibt es auch gute und nützliche Möglichkeiten. 
  • Transparenz
    • Digitale Technologien können dazu beitragen, mehr Transparenz in Geschäftspraktiken, Regierungsaktivitäten und andere Organisationen zu bringen.
    • Die Fragen lauten aber, ob dies gewünscht und von allen Beteiligten einheitlich  verstanden wird. Zu groß könnten kulturelle und intellektuelle Abstände sein. (Man denke an die Diskussionen in Zeiten von Corona, als die Wissenschaft über ihr Tagesgeschäft – über Daten zu diskutieren – infrage gestellt wurde.)
  • Bildung und Aufklärung
    • Das Internet bietet Zugang zu einer Fülle von Informationen und Bildungsmöglichkeiten, die das Bewusstsein für ethische Fragen fördern können.
    • Noch nie standen so viele, qualitativ hochwertige Informationen der Allgemeinheit offen und barrierefrei zur Verfügung.
  • Kollektives Handeln
    • Digitale Plattformen können Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen, um gemeinsam für ethische und soziale Ursachen einzutreten.
Digitalisierung bietet sowohl Möglichkeiten als auch Herausforderungen und neue Probleme für „ehrbares Handeln“. Es liegt an Einzelpersonen, Unternehmen, Regierungen und der Gesellschaft insgesamt, wie digitale Technologien genutzt werden.

Umsetzungsstrategien: ehrbares Handeln als Basis für digitale Transformation

Die digitale Transformation verändert Geschäftsmodelle und Produkte, Strukturen und Prozesse und die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Stakeholdern bzw. den diversen Menschen und Kulturen interagieren. Ehrbares Handeln als Grundsatz kann helfen, (digitale) Transformation erfolgreicher und nachhaltiger umzusetzen. Dabei ist es enorm wichtig, strategisch und bewusst vorzugehen.
Nachstehend einige Strategie-Impulse, die bei der Unternehmensgestaltung helfen können:
  • Klare Werte und Grundsätze definieren
    • Grundlegende ethische Werte und Grundsätze klar und schriftlich formulieren und im gesamten Unternehmen regelmäßig kommunizieren.
    • Diese selbstbestimmten Werte bilden die Grundlage für alle digitalen Initiativen und Innovationen und führen dazu, dass alle betroffenen Stakeholder wissen, woran sie sind.
  • Schulung und Bildung
    • Der Fachkräftemangel erfordert noch mehr das Investieren in die Aus- und Weiterbildung aller Mitarbeitenden im Unternehmen, aber auch über die Bedeutung ethischen Handelns.
    • Gerade im Kontext digitaler Werkzeuge und Plattformen, siehe dazu die negativen Aspekte im vorherigen Kapitel, ist es wichtig, den Umgang intern zu regeln. Vereinfach wirken hier „It’s okay rules.“ und „It’s not okay rules.“ (Beispiele: Mobiltelefon am Arbeitsplatz, Gleitzeiten, Kommunikation auf Social Media Plattformen)
    • Eine faire Wissen- und Können-Gerechtigkeit kann dazu beitragen, dass alle Teammitglieder die Werte des Unternehmens verstehen und diese in ihrer täglichen Arbeit umsetzen.
  • Transparenz fördern
    • Digitale Transformation verlangt eine Kultur der Transparenz.
    • Dies bedeutet offene und gut überlegte Kommunikation über Geschäftsentscheidungen, Datenverwendung und jegliche potenziellen ethischen Dilemmata, die auftreten könnten.
    • Denken Sie an Kollegengruppen, die sich über WhatsApp oder andere Dienste austauschen, ob Sie als Führungskraft wollen oder nicht. Es passiert täglich, Missverständnisse und Antihaltungen gegen Transformationsvorhaben eingeschlossen.
  • Ethikkomitee oder Beratergruppe
    • Überlegen Sie, ein internes Ethikkomitee oder eine externe Beratergruppe zu gründen, die sich mit ethischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation befasst.
    • Dies betrifft alle Segmente: Geschäftsmodell- und Produktentwicklung, Strukturen und Prozesse, Mensch und Kultur
  • Verantwortungsvoller Umgang mit Daten
    • Daten sind von unschätzbarem Wert.
    • Unternehmen sollten sicherstellen, dass Daten verantwortungsbewusst erhoben, gespeichert und zielgerichtet unter Einbehaltung rechtlicher Möglichkeiten verwendet werden. Dies beinhaltet auch den Schutz der Privatsphäre der Nutzer und den transparenten Umgang mit Daten, Stichwort „Recht auf Vergessen werden.“
  • Stakeholder einbeziehen
    • Konsultieren Sie regelmäßig Ihre Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Teilhabende und andere relevante Stakeholder, um sicherzustellen, dass Ihre digitalen Transformationsvorhaben zueinander passen und ethisch vertretbar sind.
  • Technologieethik
    • Nicht alles, was technologisch machbar ist, ist ethisch vertretbar.
    • Technologische Innovation dürfen bspw. hinterfragt werden mit: "Sollten wir das tun, nur weil wir es können?"
  • Kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung
    • Die digitale Landschaft entwickelt sich ungebremst und exponentiell weiter. Es ist wichtig, regelmäßig die ethischen Auswirkungen digitaler Initiativen/Vorhaben zu überprüfen und bei Bedarf (radikale) Anpassungen vorzunehmen.
  • Externe Partnerschaften
    • Kammern, Branchenverbänden, NGOs und anderen Organisationen sind oft wertvolle Wissensträger, um nicht nur Best Practices für ethisches Handeln in der digitalen Welt zu teilen, sondern auch initiale bis vertiefende Beratungen durchzuführen.
  • Führung zeigen
    • Egal welche obenstehende Punkte Sie für sich verwenden mögen, letztlich beginnt ehrbares Handeln an der Spitze der Unternehmen.
    • Die Geschäftsführung und Führungskräfte sollten sich verpflichten, ethische Grundsätze vorzuleben und eine Kultur des ehrbaren Handelns im gesamten Unternehmen und Umfeld zu fördern.
    • Gerade in Krisenzeiten mit ständig wechselnden Paradigmen und Herausforderungen, ist Führung und das Tragen von Verantwortung kein Spaziergang. Dies ist in der Regel Führungskräften klar, doch wird Führung zunehmend (wieder) von der Belegschaft verlangt. Dies liegt in der Natur der Sache, dass Menschen Kooperationswesen sind und in Ihrem jeweiligen Milieu Vorbilder suchen.
Die digitale Transformation bietet Unternehmen enorme Chancen auf Erfolg und wirtschaftlich stabile Kontinuität. Wenn Digitalisierung jedoch ohne Rücksicht auf ethische Überlegungen durchgeführt wird, birgt sie ebenso große Risiken.
Auffällig: Geschäftsführungen die ehrbares Handeln in Transformationsvorhaben als Konstante integrieren, erzielen in der Regel langfristig sowohl ethische als auch wirtschaftliche Vorteile.

Konfliktpotenziale: ehrbares Handeln vs. nichtehrbares Handeln

Ehrbares Handeln vermeidet meist Konflikte, kann aber selbst auch die Quelle von Konflikten sein. Das klingt paradox, sollte aber in der Überlegung zur Einführung ehrbaren Handelns oder Kodizes berücksichtigt und je nach neuen Situationen überarbeitet werden.
Nachstehend sind einige Ergebnisse aus Recherchen aufgeführt. 

Konflikte durch ehrbares Handeln:

  • Wirtschaftliche vs. ethische Entscheidungen
    • Ein Unternehmen kann sich entscheiden, ethisch zu handeln, auch wenn dies kurzfristig finanzielle Einbußen bedeutet.
    • Dies kann zu internen Spannungen zwischen Abteilungen oder Stakeholdern führen, die unterschiedliche Prioritäten haben.
    • Es ist aber auch mehr als legitim darüber nachzudenken (und zu handeln), wenn augenscheinlich weniger ehrbare Entscheidungen das Unternehmen und das Umfeld dauerhaft erhalten. (Bspw. Kohlkraftwerke zur Energieerzeugung einsetzen, Desinvestieren, Kürzungen vornehmen etc.)
  • Normen und Kulturen
    • Liegen internationale Geschäftsbeziehungen (Produktionsstandorte oder Absatzmärkte) vor, wird ehrbares Handeln unterschiedlich betrachtet.
    • Dies kann zu kulturellen Konflikten, insbesondere in multinationalen Unternehmen, führen, weshalb Hilfe von außen ratsam ist, sofern keine hauseigenen Teams unterstützen können.
  • Konkurrenzdruck
    • Unternehmen, die sich für ethisches Handeln entscheiden, könnten im Wettbewerb benachteiligt werden, insbesondere wenn Konkurrenten weniger strenge ethische Standards haben, geschweige sie einhalten.
    • ERFA-Kreise, Netzwerke und Zugehörigkeiten in Branchenverbänden (oder Kammern) bieten hierbei Vermittlungsmöglichkeiten oder zumindest Klarheit über aktuelle Verhaltenstrends.

Konflikte durch nichtehrbares Handeln:

  • Vertrauensverlust
    • Unternehmen die als unehrlich oder unethisch wahrgenommen werden, können das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitenden und Investoren verlieren.
    • Durch Social-Media-Kanäle kann ein solches Verhalten sogar dazu führen, dass weltweit und binnen Sekunden Behauptungen in die Welt gesetzt werden. Liegt eine mit Absicht durchgeführte Täuschung vor, kann das für Personen, Abteilungen, Produkte und sogar ein ganzes Unternehmen das Aus bedeuten.
  • Rechtliche Konsequenzen
    • Nichtehrbares Handeln kann zu rechtlichen Problemen führen, die finanzielle und reputationsbezogene Konsequenzen haben.
    • Investoren, Kunden und andere Stakeholder könnten das Unternehmen aufgrund von nichtehrbarem Handeln zur Rechenschaft ziehen oder dessen Produkte und Dienstleistungen meiden.
  • Interne Spannungen
    • Mitarbeitende, die das ehrbare Handeln schätzen, werden demotiviert oder frustriert, wenn sie feststellen, dass ihr Unternehmen unethisch handelt.
    • Mehr: Bedingt durch den aktuellen Arbeitnehmermarkt, reagieren Arbeitnehmende – und hier besonders die jungen in die Arbeitsmärkte eintretende Mitarbeitende –  zunehmend sensibel auf Ungereimtheiten in Betriebsstätten.
  • Nachhaltigkeitsprobleme
    • Der Zusammenhang zwischen nichtehrbarem Handeln und wenig nachhaltigen  Entscheidungen lässt sich wissenschaftlich immer wieder belegen. (Allerdings muss hier auf unterschiedliche Untersuchungsperspektiven verwiesen werden, die je nach Interessenslage zu ebenso unterschiedlichen Beurteilungen führen.)
    • Dennoch lässt sich zusammenfassen, dass nichtehrbares Handeln weniger nachhaltig ist, was langfristig zu Umwelt- und Sozialproblemen führt.
Letztlich hängt vieles vom spezifischen Kontext und den beteiligten Akteuren ab. Eine unternehmensspezifische Compliance zum ehrbaren Handeln kann mit Nachhaltigkeitsaspekten und Geschäftsplanungen angereichert werden, damit alle agierenden Stakeholder zumindest die Möglichkeiten haben, die Unternehmenshaltung nachzulesen und zu verstehen. 

Fazit

Bei der digitalen Transformation geht es um weit mehr als nur um ehrbares Handeln. Wissen, Können, Geld, die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit in immer kürzeren Abständen zu treffen, das wird von Führungskräften und ihren Mitarbeitenden verlangt. Hinzu kommen organisatorische und kollektive Erfahrungen: „Das hat schon jemand vor dir versucht zu ändern. Ohne Erfolg!“ oder „Früher war alles besser!“
Unabhängig davon, welche Transformationen notwendig sind, müssen immer alte Strukturen, Gewohnheiten und Komfortzonen verlassen werden. Für den deutschsprachigen Raum lässt sich festhalten, dass er durch Innovationsfähigkeit und qualitativ hochwertige Produkte und deren Entwicklung geprägt ist. Die globalisierte Welt hat aber auch dazu geführt, dass uns andere Länder wirtschaftlich und in ihrer Innovationsfähigkeit eingeholt oder teilweise schon überholt haben. Der Wirtschaftsstandort Deutschland, der Wohlstand und damit der soziale Frieden sind, wenn nichts unternommen wird, durchaus bedroht.   
Der Klimawandel zwingt uns zum Umdenken und der Fachkräftemangel macht die Situation nicht besser. Die Umstellung auf eine zunehmend digital geprägte Unternehmenslandschaft ist unausweichlich, um Ressourcenengpässen schnell entgegenzuwirken. Es drohen harte und zukunftsweisende Entscheidungen, die eine von Erfolg und Wohlstand verwöhnte Gesellschaft in wenigen Jahren auf eine harte Probe stellen werden. Ehrbares Handeln kann als Mindset, als Haltungsmodell neben vielen Gesetzen und Verordnungen helfen, die Übergangszeiten so zu gestalten, dass Transformationen nicht zur Zerreißprobe, sondern zu erreichbaren Zielen werden.
Die Digitalisierung, genauer die digitale Transformation, braucht mehr Dynamik und schnellere Umsetzungsbereitschaft und -fähigkeiten. Ehrbares Handeln als Haltungsgrundlage für eine optimalere Unternehmensgestaltung kann (um nicht zu schreiben sollte) zum kontinuierlichen Erfolgsfaktor werden, auch wenn es viele weitere Methoden zu beherrschen gilt.
Führung und Unternehmensgestaltung sind nie langweilig und sollten mit viel Respekt gelebt , aber auch von den anderen Stakeholdern mit dem gleichen Respekt behandelt werden.

Bonusmaterial

Normalerweise endet ein Fachartikel mit einem Fazit. Bei den Recherchen zum Thema ‘Ehrbares Handeln’ haben sich zwei Themenfelder herauskristallisiert, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Sie haben keinen unmittelbaren Bezug zu digitalen Transformationsvorhaben in Unternehmen, aber es wäre zu schade, das Material – impulsstiftend – nicht zu veröffentlichen. 

Demokratie und ehrbares Handeln

Industrie- und Handelskammern haben drei Kernaufgaben. Die so genannten hoheitlichen Aufgaben ergeben sich aus dem IHKG, einem Gesetz. Am bekanntesten sind die IHKs wohl für die Gestaltung und Abnahme von Ausbildungsberufen.
Als Selbstverwaltung der Wirtschaft teilen sich Ehrenamt und Hauptamt die politischen Aufgabenfelder, um als Sprachrohr gegenüber der Politik zu fungieren. Schließlich bieten die IHKs je nach Region unterschiedliche Dienstleistungen von der Existenzgründung bis zur Unternehmensnachfolge und dazwischen Maßnahmen zur Unternehmensförderung an.
Die wichtigsten Grundlagen unserer Wirtschaftswelt sind Gesetze, die Achtung der deutschen und europäischen Verfassung, die freie Marktwirtschaft und unsere Demokratie. Brechen einzelne der genannten Voraussetzungen weg, wird es eng für unseren Wohlstand.
Mit den im Abschnitt „Passen Digitalisierung und ehrbares Handeln zusammen?“ erarbeiteten Argumenten zu den Gefahren von Desinformation stellte sich bei der Bearbeitung die Frage, ob ehrbares Handeln und Digitalisierung demokratieförderndes oder demokratiegefährdendes Potenzial haben.
Hier die Impulse, unterteilt in pro und kontra:

Ehrbares Handeln: Demokratie fördernd

  • Vertrauensbildung Ein ehrbares Handeln von Politikern und öffentlichen Amtsträgern kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institutionen stärken. Ein solches Vertrauen ist für das reibungslose Funktionieren demokratischer Systeme von entscheidender Bedeutung.
  • Informed Citizenship Ehrlichkeit und Transparenz von Regierungen und Medien helfen Bürgern, gut informierte Entscheidungen zu treffen, die die Grundlage einer funktionierenden Demokratie sind.
  • Gleichheit vor dem Gesetz Ein ehrbares Handeln in der Justiz gewährleistet, dass alle Bürger, unabhängig von ihrem sozialen, wirtschaftlichen oder ethnischen Hintergrund, gleichbehandelt werden.
  • Schutz vor Korruption Ehrbares Handeln kann dazu beitragen, die Korruption in Regierungs- und Geschäftskreisen zu verringern, was wiederum die Integrität demokratischer Prozesse stärkt.
  • Stärkung der Zivilgesellschaft Ehrbares Handeln in Organisationen und NGOs fördert eine aktive und engagierte Bürgerschaft, die für demokratische Prozesse unerlässlich ist.

Ehrbares Handeln: Potenzial der Demokratiegefährdung

  • Übertriebene Selbstbeschränkung
    • Eine zu enge oder dogmatische Interpretation von "ehrbarem Handeln" könnte die Meinungsfreiheit einschränken, wenn beispielsweise bestimmte Meinungen oder Überzeugungen als "nicht ehrbar" betrachtet werden und somit unterdrückt werden.
  • Instrumentalisierung von Moral
    • Wenn "ehrbare" Ideale von politischen Akteuren instrumentalisiert werden, um Gegner zu diskreditieren oder um uneigennützige Handlungen zu tarnen, kann dies das Vertrauen in demokratische Prozesse untergraben.
  • Unrealistische Erwartungen
    • Die Erwartung, dass jeder öffentliche Amtsträger ständig und in jeder Hinsicht "ehrenhaft" handelt, kann zu Enttäuschungen und Zynismus gegenüber dem politischen System führen, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.
  • Moralismus statt Pragmatismus
    • In Situationen, in denen Kompromisse erforderlich sind, könnte ein übertriebener Fokus auf ehrbares Handeln zu politischer Lähmung führen, wenn Parteien oder Akteure nicht bereit sind, von ihren ideologischen oder moralischen Positionen abzuweichen.
Ehrbares Handeln und unsere Demokratie hängen voneinander ab. Ein ausgewogenes und reflektiertes Konzept von ehrenhaftem Handeln hat Vorbildcharakter und kann zweifellos zur Stärkung demokratischer Institutionen und Werte beitragen.
Die Ironie dieses Unterkapitels liegt in der abschließenden Darstellung der Gefährdung der Demokratie: Die Zeilen können moralisierend und belehrend wirken, was nicht die Absichten des Autors sind.

Sustainable Development Goals

Die Vereinten Nationen haben sich auf 17 Sustainable Development Goals (SDGs) geeinigt. Es muss kritisch angemerkt werden, wie schwierig es ist, die SDGs umzusetzen und gleichzeitig dem Druck aller Szenarien, die auf ein Unternehmen einwirken, standzuhalten.
Diese 17 Ziele stehen in engem Zusammenhang mit den Grundsätzen des verantwortungsvollen, ehrbaren Handelns, da beide Konzepte die Notwendigkeit betonen, ethisch, transparent und im Interesse der Allgemeinheit zu handeln.
Die folgenden Gemeinsamkeiten bieten die Möglichkeit, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:
  • Ethik und Integrität Ehrbares Handeln betont die Bedeutung ethischer Geschäftspraktiken, die zur Verwirklichung von Zielen wie "Anständige Arbeit und Wirtschaftswachstum" (SDG 8) und "Bekämpfung von Korruption und Bestechung" (Teil von SDG 16) beitragen können.
  • Verantwortung für die Gemeinschaft Unternehmen, die ehrbares Handeln praktizieren, erkennen ihre Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft und dem Planeten an. Dies ist direkt mit Zielen wie "Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster" (SDG 12) und "Maßnahmen zum Klimaschutz" (SDG 13) verbunden.
  • Fairer Wettbewerb Ehrbares Handeln betont die Wichtigkeit des fairen Wettbewerbs, was zur Schaffung inklusiver und nachhaltiger Märkte beitragen kann, wie in SDG 10 ("Weniger Ungleichheiten") angesprochen.
  • Respekt für die Rechte aller Ehrbares Handeln beinhaltet die Achtung der Rechte und Würde aller Menschen, was mit mehreren SDGs, einschließlich SDG 5 ("Gleichstellung der Geschlechter") und SDG 10, in Einklang steht.
  • Nachhaltige Geschäftspraktiken Unternehmen, die sich für nachhaltige Praktiken entscheiden, können direkt zur Erreichung von Zielen wie "Sauberes Wasser und Sanitär" (SDG 6), "Bezahlbare und saubere Energie" (SDG 7) und "Leben an Land" (SDG 15) beitragen.
  • Innovation und Infrastruktur Ehrbare Unternehmen können durch Investitionen in nachhaltige Technologien und Infrastrukturen zur Erreichung von SDG 9 ("Industrie, Innovation und Infrastruktur") beitragen.
  • Partnerschaften für die Ziele Ehrbares Handeln fördert die Zusammenarbeit und Partnerschaften zwischen verschiedenen Akteuren, was entscheidend für die Erreichung von SDG 17 ("Partnerschaften zur Erreichung der Ziele") ist.
Fazit: Die Einhaltung eines fairen Handelskodexes allein reicht nicht aus, um die Ziele der UN-SDGs zu erreichen. Es bedarf koordinierter Anstrengungen von Regierungen, Unternehmen, der Zivilgesellschaft und anderen Akteuren. Fairer Handel ist ein wichtiger Wegweiser und Katalysator für die oben genannten gemeinsamen globalen Anstrengungen und bietet Möglichkeiten für: 
  • dem Fach- und Arbeitskräftemangel strategisch und langfristig zu begegnen.
  • gute Digitalisierung als Chance und Schlüsseltechnologie zu verstehen, Unternehmen langfristig zukunftsfähige Perspektiven zu ermöglichen. 
  • eigene mikroökonomische Interessen zu sichern, aber auch gesamtheitlich ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu fördern.
(Letzter Stand 16. Oktober 2023, Autor: Emmanuel Beule)