Leitfaden IHK Digital Transformation Map: KPI versus OKR

Der Einsatz von Objectives Key Results (OKR) fördert die Qualität der digitalen Transformation. Die Arbeit mit OKR bietet Fokus, Agilität bei der Anpassung, strategische Transparenz und messbare Ergebnisse. Der dynamische Rahmen hilft Unternehmen, effektiv voranzukommen. Neben Erläuterungen zur Vorgehensweise bietet der Leitfaden eine konkrete Checkliste für die Einführung im eigenen Arbeitsumfeld.
Bannerbild Artikel KPI vs. OKR
Hinweis: Dieser Leitfaden, modern auch Playbook genannt, ist Teil der IHK Digital Transformation Map, einem Modell für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte in Unternehmen. Die Hintergründe des gesamten Modells inklusive der verschiedenen Methoden und unternehmensrelevanten Einordnungen sowie ein Statement zum generischen Maskulinum sind im Webartikel Einsatzfelder der IHK Digital Transformation Map beschrieben.   

Einleitung

Wie erkennen Unternehmen, welche Prozesse und Strukturen zukunftsfähig oder zukunftsweisend sind und welche überflüssig werden? Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über Ansätze, Prozesse und Strukturen neu zu denken und umzugestalten.
In Zukunft wird es nicht primär darum gehen, Bestehendes einfach in die digitale Welt zu übertragen. Das Informatikersprichwort „Gold in, Gold out“ reicht nicht mehr aus. Wichtiger ist die Frage:
  • Welchen neuen Output können wir liefern?
  • Was können wir ganz anders machen?
  • Wie können wir unsere Prozesse und Strukturen transformieren und flexibilisieren, um mehr Wertschöpfung zu erzielen?
  • Wie erreichen und erhalten wir eine nachhaltige Wandlungsfähigkeit? 
Dies schließt den Ideenfindungsprozess und den Innovationsprozess ein - zwei wichtige Themen für den deutschen Mittelstand. Die Darstellung und Erläuterung von “OKR vs. KPI” soll einer von drei Impulsen im Segment “Prozesse und Strukturen” sein, um sich der oben genannten Problematik mit konkreten Lösungsvorschlägen zu nähern. Dazu werden die sogenannten Objectives and Key Results (OKR) erläutert und Mehrwerte gegenüber Key Performance Indicators (KPI) geklärt.
OKR kann als Rahmenkonzept - ein sogenanntes Management-Framework - dienen, das Innovation nicht zum Glücksfall in einem Unternehmen macht, sondern strukturell in die Organisation integriert werden kann; und damit auch die digitale Transformation entscheidend vorantreibt.

Kurzeinführung: OKR versus KPI

Wann immer ein Unternehmen Kennzahlen erhebt und diese zur Analyse heranziehen möchte, stellt sich die Frage, ob Kennzahlen erhoben werden, die die Vergangenheit abbilden und bewerten - also rückwärts gerichtet sind - oder ob in irgendeiner Form Kennzahlen oder Daten generiert werden können, die eine Orientierung für die Zukunft geben. Letztlich stellt sich die Frage, wie ein solches Verfahren eingeführt und umgesetzt werden kann. 
Diese kleinen Fragen beschreiben bereits den wesentlichen Unterschied zwischen KPI's und OKR's: KPI's sind Leistungskennzahlen, die Daten der Vergangenheit nach "gut", "weniger gut" und "schlecht" bewerten, während OKR's Instrumente zur Messung einer definierten und gleichzeitig anpassbaren Zielerreichung in der Zukunft darstellen; d.h. mit OKR's werden Daten erhoben, um eine perspektivische Orientierung zu geben und grundsätzlich zu klären: 
  • “Wo wollen wir hin?” (Ziele, Zieldefinition)
  • “Woran können wir messen, dass wir uns diesen Zielen nähern bzw. sie erreicht haben?” (Key Results, Schlüsselergebnisse)

KPI’s: Die Sicherheit, einen bekannten Weg weiterzugehen

KPI ist eine weit verbreitete und bekannte betriebswirtschaftliche Methodik zur Generierung und Analyse von Kennzahlen aus der Vergangenheit betrieblicher Aktivitäten.  Die Ergebnisse dienen der Qualitätssicherung und der Zielverfolgung. Es besteht immer eine Vergleichbarkeit und es werden Benchmarks durchgeführt, Abweichungen festgestellt und Ziele neu definiert oder angepasst. KPIs bieten bei vorhersehbarem Ausgang eine hervorragende Möglichkeit, den Erfolg der eigenen Prognose oder eine Abweichung zu dokumentieren und nachzusteuern.
Klassische Key Performance Indicators - KPIs - stellen also eine Normabweichung bzw. eine Abweichung innerhalb eines bestimmten Korridors dar und sollen darauf hinweisen, dass möglicherweise etwas nicht stimmt - sei es in einer Abteilung oder in der Gesamtstruktur des Unternehmens. Das heißt, sie sind darauf ausgerichtet, die Vergangenheit mit Hilfe von Kennzahlen zu bewerten, um einen bereits eingeschlagenen Weg in der Gegenwart solide fortzusetzen und - wenn überhaupt geplant - seine Entwicklung in der Zukunft in einem bestimmten Korridor prognostizieren zu können. Dieses Vorgehen hat seine Berechtigung und viele Vorteile. 
Da es in vielen Unternehmen bereits als Standard bekannt und umgesetzt ist, sollen die KPI’s an dieser Stelle nicht weiter diskutiert oder in Frage gestellt werden, zumal dieses Modell eben nicht den Prozess der Ideengenerierung und disruptiven Innovation abbildet. OKR kann als symbiotische, komplementäre Methode betrachtet werden, die auch ohne KPIs auskommt. 

OKR’s: Mut zum offenen Horizont für Neulandgewinne

Viel spannender, bedeutsamer und nachhaltiger in Bezug auf die digitale Transformation ist die Orientierung und Prognose von Zukunftsszenarien.
Die Zukunft ist - bildlich gesprochen - immer ein weites und unüberschaubares Meer und Mehr an Möglichkeiten, weshalb OKRs als Leuchttürme dienen und einen weiteren und wertfreien Blick auf den Horizont bieten, der für das Unternehmen erstrebenswert ist. So kann sich das Unternehmen besser orientieren und gezielt in die gewünschte Richtung steuern - wie ein Schiff auf hoher See, das auch in stürmischen und dunklen Zeiten das Licht des Turms am Horizont sieht und regelmäßig entsprechende Kursanpassungen vornehmen kann. 
Innovationen sind immer Neuland. Das OKR-Modell trägt dem Rechnung, ohne es genau verorten zu können. Das Ergebnis sind Wachsamkeit, Achtsamkeit, Eigenverantwortung, Kreativität und Innovationsfähigkeit. Dies wirkt sich auf die Verbesserung der beiden anderen Segmente der IHK Digital Transformation Map - “Geschäftsmodelle und Produkte” sowie “Menschen und Kulturen” - aus.
OKR wird von vielen Unternehmen, darunter Google, erfolgreich eingesetzt - und es ist bei weitem keine Voraussetzung, ein Softwareunternehmen oder ein „hippes“ Startup zu sein. OKR ermöglicht es grundsätzlich jedem Unternehmen oder jeder Organisationseinheit, innovativer zu werden.
Während die KPI’s durch Kennzahlen der Vergangenheit, einen bereits eingeschlagenen Weg ebnen und prognostizieren wollen, ermöglichen OKR’s wie ein Leuchtturm einen weiteren, wertfreien Blick auf einen Horizont an Möglichkeiten, wohin sich das Unternehmen entwickeln kann, siehe Visualisierung. 
Zukunft

KPI vs. OKR auf einen Blick

Die folgende Zusammenfassung soll einen Überblick darüber geben, welcher methodische Ansatz für das eigene Unternehmens- bzw. Projektfeld am besten geeignet ist.
Key Performance Indicators (KPI)  Objectives and Key Results (OKR)
Metriken und Auswertung sind vergangenheitsbezogen Daten und Einschätzungen sind zukunftsbezogen
Sie dienen der Messung und Steuerung von Leistung und Management. Sie zeigen ‘Abweichungen von der Norm’ auf. Sie dienen der übergeordneten Orientierung und der Transparenz der Unternehmensziele. Sie sind offen für Ideen und unerwartete Ergebnisse.
Die Benchmarks werden über einen längeren Zeitraum (12+ Monate) erhoben und konstant gehalten, da es um die Vergleichbarkeit der erhobenen Werte über die Zeit geht. Die Ziele werden in einem festgelegten Rhythmus (alle 3-4 Monate) überprüft und (teilweise radikal) überdacht und regelmäßig angepasst.
Die Ziele, deren Erreichung gemessen wird (Benchmarks), werden lange vor der aktuellen KPI-Schleife festgelegt. Die Definition der Objectives (Ziele) und Key Results (Zwischenergebnisse) wird während der Schleife selbst überdacht bzw. neu überdacht.
Ermöglichung einer gleichbleibenden quantitativen Leistung (Output) gleicher Art und Güte. Hier steht die reine Produktivität im Vordergrund - nicht das, was damit erreicht wird.

Beispiel: “Marketingteam hat 50 Kundenbefragungen durchgeführt”.
Helfen, sich auf ein gewünschtes (qualitatives) Ergebnis (Outcome, Mehrwert z.B. für Kunden) zu fokussieren.

Hier stehen die Fragen im Vordergrund: “Was haben wir davon? Was ist der Nutzen der Organisation und ihrer Bemühungen?”

Beispiel: “Die Kunden bewerten das neue Design der Unternehmenswebsite mit durchschnittlich 4,5 von 5 Sternen, melden eine spürbare Benutzerfreundlichkeit zurück und sind nachweislich zufriedener.”
Top-down-Ansatz
Der Ansatz ist kontrollierend und vorschreibend. Die Verantwortung liegt beim Management
Team-Ansatz
Der Ansatz ist explorativ und lässt den Beteiligten Spielraum. Die Verantwortung liegt beim gesamten Team.
Standardisierung und Nachvollziehbarkeit komplizierter Prozesse in Form von Checklisten und Prozessdiagrammen ermöglichen.

Beispiel: Die Einrichtung einer Ampelschaltung ist hochkomplex, wird aber für die Verkehrsteilnehmenden auf einfache Signale (stehen, warten, fahren) heruntergebrochen. Sie regelt eindeutig und der Verkehrsfluss ist vorhersehbar.
Ermöglichung einer Strategie, die das Potenzial komplexer Prozesse ‘von selbst’ entfalten lässt.

Beispiel: Ein Kreisverkehr ist einfach zu realisieren, führt aber zu einem hochkomplexen Verkehrsfluss. Der tatsächliche Verkehrsfluss ist selbstregulierend und unvorhersehbar.
Ziel ist es, laufende Prozesse zu dokumentieren und zu bewerten. Ziel ist es, nicht planbare Potenziale und Ideen von einzelnen Mitarbeitenden und Teams planbar zu machen.

Ursprung der OKR-Methodik

Die OKR-Methodik wurde vom Intel-Mitbegründer Andre Grove entwickelt und bereits in den 1970er Jahren erstmals bei IBM eingesetzt.
Große Bekanntheit erlangte sie Ende der 1990er Jahre in den USA, als der Investor John Doerr sie erfolgreich bei seinen Start-ups einsetzte - neben Google auch bei LinkedIn und Zynga. In Europa findet es seit 2013 Anklang, wobei OKR zunehmend für Transformationsprozesse in Großunternehmen, aber kaum bis gar nicht in kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt wird, obwohl es für Organisationen jeder Größe und insbesondere für die digitale Transformation großes Potenzial bietet.
Um das Innovationspotenzial dieses Frameworks auszuschöpfen, soll im Folgenden nicht nur dargestellt werden, welchen Nutzen dieses Framework bietet, sondern vor allem, wie es richtig eingesetzt werden kann.

Einsatzmöglichkeiten und Zielgruppen

OKR ist ein so wesentliches Rahmenkonzept zur Erreichung strategischer Ziele, digitaler Transformation und Innovationskultur, dass es sich für jedes Unternehmen lohnt, sich damit auseinanderzusetzen und es auch einzusetzen.
Allerdings ist es nicht in jedem Bereich, für jedes Projekt und jedes Team sinnvoll, es einzusetzen.

Wann kann es zum Einsatz kommen? 

Immer dann, wenn es darum geht, mit Komplexität und Unvorhersehbarkeit umzugehen und eine vielschichtige Lösung für ein größeres Problem zu finden. Darüber hinaus bietet die Formulierung und Planung von Zielen und Ergebnissen (Outcome) einen selbstbestimmten Kontrollmechanismus innerhalb eines Teams - im Gegensatz zur fremdbestimmten (managementgetriebenen) Leistungsbewertung. 
Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Modell das Wissens- und Leistungspotenzial der Menschen in den Mittelpunkt stellt, um es den Organisationen möglichst vollständig zur Verfügung zu stellen. In der Konsequenz erhalten alle Beteiligten auf Basis definierter Prinzipien die notwendigen Freiräume für effiziente, geschäftsrelevante und meist innovative Arbeitsergebnisse.

Wo sollte OKR nicht eingesetzt werden? 

In Unternehmen, in denen Sicherheit und Fehlervermeidung an erster Stelle stehen, z.B. beim Bau eines Flugzeugs oder bei der Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks. Denn gerade in solchen Fällen will das Unternehmen - und die Umwelt - keine Abweichungen von der Norm und keine kreativen Ansätze.
In der Entwicklungsphase eines neuen/innovativen Flugzeugmodells oder eines Atomkraftwerks kann OKR hingegen sehr wohl von den Ingenieuren eingesetzt werden.

Erste Schritte

Die englischen Begriffe Objective and Key Results mögen bei der Ankündigung einer neuen Arbeitsmethode auf erste sprachliche Hürden stoßen. Sie lassen sich jedoch leicht übersetzen, weshalb im Folgenden sowohl der englische Fachbegriff als auch die deutsche Übersetzung angeboten werden. Für welche Terminologie man sich entscheidet, bleibt der eigenen Organisation überlassen.
Der erste Schritt besteht darin, sich als Unternehmer über die Werte und Prinzipien klar zu werden, auf denen OKR basiert und die durch OKR gefördert werden. Dazu gehört, dass die Unternehmenskultur eine gemeinsame Ausrichtung (Alignment) ermöglicht bzw. entwickeln sollte. Das bedeutet, dass alle Mitarbeitenden einen direkten Bezug zu den Unternehmenszielen und der Mission haben, indem sie (mit Hilfe von OKR) wissen, welchen konkreten Beitrag sie dazu leisten. 
Ebenso wird die Transparenz innerhalb der Organisation gefördert, da alle Ziele (Objectives) und Schlüsselergebnisse (Key Results) immer für alle sichtbar sind. Dies schafft Klarheit und eine offene Kommunikation. Gleichzeitig kann diese Offenheit auch Unsicherheit erzeugen. Eine OKR-Pilotgruppe mit ausgewählten Mitarbeitenden, die Freude und Begeisterung für neue Strukturen, Denk- und Arbeitsweisen mitbringen, ermöglicht eine schrittweise Umsetzung. OKR zielt weiterhin darauf ab, das Engagement, die intrinsische Motivation und die Selbstorganisation der einzelnen Mitarbeitenden und der Teams zu fördern und zu fordern.
Der zweite Schritt ist die Präsentation und Einführung des Leitbildes in der Führungsgruppe. Die Kommunikation geht zunächst von der Geschäftsleitung aus (top-down), die auch eine Vision bzw. ein übergeordnetes (langfristiges) Ziel formuliert, das als eine Art Nordstern fungiert (Unternehmensziele). Daraus wird ein erstes mittelfristiges Ziel (sog. MOAL) abgeleitet, das in den nächsten 12 Monaten erreicht werden soll.
Im dritten Schritt wird ein OKR-Team gewählt, das aus allen Mitarbeitenden oder einer ausgewählten Gruppe/Abteilung (max. 12 Personen) bestehen kann. Wer Teil dieses Teams wird, ist in einer klassischen Unternehmensstruktur eine Managemententscheidung. Das Team wird von einem OKR-Master begleitet, der für die Organisation der Treffen und die Unterstützung des Teams verantwortlich ist. Dieser sollte in OKR geschult sein und eine rein unterstützende und organisatorische Funktion haben (d.h. wenn eine Abteilung als OKR-Pilotgruppe gewählt wird, sollte der Master nicht Teil dieser Abteilung sein). Es kann auch sinnvoll sein, eine externe Person mit OKR-Erfahrung hinzuzuziehen. 
Der OKR-Master organisiert die Treffen in einem Zyklus, bündelt die im Prozess anfallenden Daten und moderiert die Termine. Seine Aufgabe ist es, das Team in seiner Selbstorganisation zu unterstützen und Fragen zum Prozess zu klären. Achtung: Der OKR-Master darf keine disziplinarische Führungskraft sein - sonst entsteht eine klassische Managementstruktur, die kontraproduktiv wirkt. 
Nun beginnt das OKR-Team mit dem eigentlichen OKR-Zyklus, der sich über einen Zeitraum von 3-4 Monaten erstreckt. Er besteht aus
  1. einer Planungsphase (OKR Planning),
  2. anschließenden wöchentlichen 15-minütigen Meetings (OKR Weekly),
  3. einer inhaltlichen Bewertung des Zyklus (OKR Review) und
  4. einer OKR Retrospektive, in der der Zyklus aus systemischer Sicht analysiert und Verbesserungen für den nächsten Zyklus festgelegt werden. Dieser Abschnitt steht für die Schaffung klarer und nachvollziehbarer Strukturen.
In der Planungsphase entwickelt und verhandelt das OKR-Team auf der Grundlage der Unternehmensvision und des MOAL seine eigenen detaillierten qualitativen Gruppenziele (“Worauf konzentrieren wir uns jetzt in Bezug auf das MOAL?”) und quantitativen Schlüsselergebnisse (“Wie können wir messen, dass wir uns unserem Ziel nähern?”). 
Die Einführung und Einhaltung eines 15-minütigen wöchentlichen Meetings (OKR Weekly) stärkt die Selbstverpflichtung und Fokussierung. Hier werden Ziele und Schlüsselergebnisse reflektiert und Fortschritte verfolgt. Dieses wöchentliche Ritual Hier hinterfragt das Team auch, ob die Ziele und Schlüsselresultate noch stimmen, indem es fragt:
  • “Wo stehen wir?”
  • “Wo wollen wir hin?”
  • “Was brauchen wir noch?”
  • “Was muss bleiben?”
  • “Worauf achten wir, damit etwas passiert?”
Auf diese Weise können Ziele und Ergebnisse regelmäßig modifiziert bzw. verfeinert werden, um die bestmöglichen Ergebnisse (Outcome) zu erzielen. Die abschließenden Treffen des OKR-Zyklus, das Review und die Retrospektive, dienen dazu, den gesamten Prozess inhaltlich und systemisch zu bewerten und Verbesserungen für den nächsten Zyklus vorzunehmen. Eine kurze Einführung dazu geben auch Patrick Lobacher und Christian Jacob von die.agilen GmbH in ihrem Buch “OKR - kurz und klar”. 
Der gesamte Prozess kann anfangs mit Bordmitteln wie Excel oder bspw. Confluence (oder andere Hersteller) dokumentiert werden. Soll OKR langfristig etabliert werden, gibt es spezielle OKR-Software, in der alle Bestandteile des Prozesses abgebildet sind. 

Do’s and Don’ts

Bei der Anwendung dieser Prinzipien ist es wichtig zu wissen, dass es hilfreich ist, ehrgeizige, aber erreichbare Ziele zu haben und Rollen und Kommunikationswege zu definieren. Der absolute Todesstoß für ein solches System ist jedoch die Einbindung von Mitarbeiterbeurteilungen; dies erzeugt Widerstände und zerstört letztlich die OKR. Auf keinen Fall sollte es mit Bonussystemen verknüpft werden oder im Gegenzug mit Sanktionen drohen, wenn die Key Results nicht erreicht werden.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den entscheidenden Unterschied zwischen KPIs und OKRs zu verstehen: Während KPI’s vom Management festgelegt werden und dazu dienen, die Leistung der Mitarbeitenden zu bewerten, ist OKR ein Rahmen, der den Mitarbeitenden hilft, ihre eigenen Gruppen- oder Abteilungsziele zu formulieren und die Ergebnisse anhand der Key Results zu verfolgen. OKR ist also kein Kontrollinstrument oder eine Leistungsbeurteilung durch das Management und sollte auch nicht als solches missverstanden werden.
Die Führung fördert mit OKR eine agile Mitarbeiterführung und hilft Einzelpersonen und Gruppen/Abteilungen einen klaren Fokus zu setzen. Aus einem Führungsverständnis als "Servant Leader" (Führen als Dienst am Geführten) steht die Frage im Vordergrund, was die Beteiligten brauchen, um auf Basis der OKRs entsprechend arbeiten zu können.
Prozentmetriken in OKR's müssen den Mitarbeitenden im Detail und in Abgrenzung zu KPI's erklärt werden: 100% Key Results sind nicht mit 100% KPI's zu vergleichen, sondern eher mit 130-KPI-%, da eine Zielerreichung mit einem Indexwert von 0,7 bereits eine ambitionierte Zielerreichung bedeutet.
Und zu guter Letzt: Software ersetzt nicht die Haltung des Unternehmens. Transparenz, Offenheit und eine agile Führungskultur müssen gelebt, gefördert und kommuniziert werden.

Zusammengefasst

Mitarbeiterbewertung

Typische Fallstricke in der Umsetzung

Ziele sind nicht gleich Ziele

Manch ein Unternehmer:in wird sich vielleicht fragen, ob OKR’s nur traditionelle Ziele im neuen Gewand sind. Nein, das sind sie nicht. Es ist auch kein neues Modewort für einen MBO-Ansatz (Management by Objectives). Denn bei Letzterem lautet die Devise “Führen mit smarten Zielen” - womit klassische, quantitative Zielsysteme mit den bekannten Parametern wie Messbarkeit, Terminierbarkeit etc. gemeint sind.
Objectives (Ziele) sind herausfordernd und motivierend. Sie sind auf qualitativ messbare Ergebnisse (Outcome) ausgerichtet. Diese Ausrichtung ermöglicht es den Beteiligten, diese Ergebnisse auf sehr unterschiedlichen Wegen zu erreichen. In diesem Raum der Eigenverantwortung können neue Ideen und Innovationen entstehen.
Key Results (Schlüsselergebnisse) beschreiben die “wahrscheinlich” richtigen Ergebnisse auf dem Weg zum „Objective“ und sind bewusst leicht (über)ambitioniert definiert. Die Ziele sind quantifizierbar. Eine vollständige Erreichung wird nicht erwartet. Eine vollständige Erreichung aller Key Results deutet sogar auf zu wenig ambitionierte Ziele und eine Unterschätzung der eigenen Wirksamkeit hin.
Ein Beispiel für OKR (im Gegensatz zu smarten Zielen):
  • Objective: “Unsere Kunden sind von unserem neuen Produkt begeistert”.
  • Key Result: “80% der Kund:innen bewerten das neue Produkt mit 4,5 von 5 Punkten auf Trustpilot.”
Ein smartes Ziel für Mitarbeiter klingt hingegen so:
  • “Kontaktiere bis zu einem bestimmten Datum 50 Kunden, damit sie Bewertungen abgeben.”
Mit Letzterem könnte zwar auch erreicht werden, dass eine hohe Kundenbewertung stattfindet. Aber der Fokus und die Anstrengung sowohl des Mitarbeitenden als auch der Führungskraft richten sich beim MBO (Management by Objectives) - ohne vorherigen OKR - nicht auf die Kundenzufriedenheit, sondern auf das Operative: die Aktivität (und die reine Anstrengung) des Mitarbeitenden.
Auf diese Weise züchtet man viele fleißige Mitarbeitende, wundert sich aber gleichzeitig, warum all diese Aktivität nicht zu einem entscheidenden Marktvorteil führt. Mit OKR integriert ein Unternehmen die Strategie und den Sinn hinter dem Tun. 

Die Resultatenkette

Die Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Zielen ist wesentlich, daher soll hier noch einmal auf den Unterschied zwischen Leistung (Output) und Ergebnis (Outcome) eingegangen werden.
Ein Unternehmen kann bestimmte Aktivitäten definieren. Dinge, die die Mitarbeitenden tun und was das Unternehmen produziert: den Output. Dieser kann mit KPIs gemessen werden. 
OKR’s sind der nächste Schritt und beschreiben die Outcomes, den Nutzen all dieser Anstrengungen. Die Kombination dieser Systeme kann einem Unternehmen langfristigen Einfluss und Effektivität sichern und es widerstandsfähig gegen unvorhergesehene Wirtschafts- und Marktschwankungen machen.
Resultatekette
OKRs konzentrieren sich also weniger auf die Fragen:
  • "Was haben wir getan?"
  • "Wie haben wir es getan?",
sondern viel mehr auf die Fragen
  • "Was haben diese Aktivitäten gebracht?" und
  • "Was mussten wir nachjustieren, damit es Wirkung zeigt?". 
Ein Beispiel ist eine Bäckerei, deren Output die Auslage ist. Ihr Outcome misst sich an dem Mehrwert der Kunden, die satt werden. Ein neues Ziel ist, dass sie nicht nur satt werden, sondern sich noch gesünder ernähren (durch bessere Auswahl der verwendeten Rohstoffe, veränderte Rezepturen usw.). Während ein smartes Ziel “Wir produzieren ein gesünderes Brot” wäre, fokussiert OKR auf “Unsere Kunden sind von unserem gesünderen Brot begeistert und empfehlen es weiter”.
OKRs helfen bei einem entscheidenden Perspektivwechsel: weg von der reinen Kontrolle von Aktivitäten und dem damit verbundenen Mikromanagement vieler Führungskräfte hin zur aktiven Integration der Sinnfrage "Warum tun wir das, was wir tun? - als treibende Kraft für eine langfristige intrinsische Motivation im gesamten Unternehmen. 
Ganz im Sinne des Antoine de Saint-Exupéry zugeschriebenen Zitats: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“.
Es sei an dieser Stelle betont, dass im Gegensatz zu dem wohlklingenden Zitat die quantitativen Ergebnisse - in diesem Fall die Holzbeschaffung und die Arbeitseinteilung - im Unternehmen nicht gänzlich unter den Tisch fallen, aber eine ausschließlich leistungsorientierte Beurteilung auf Dauer der Motivation schadet, damit auch der allgemeinene Resilienz und der Markt- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens.
OKR’s ermöglichen allen Beteiligten einen größeren Sinnzusammenhang zu sehen und auch andere Materialien und Werkzeuge zielführend zu erkunden. Dehnbare Ziele oder flexible Zeitfenster helfen dabei.
Durch diesen Ansatz verschiebt sich der Fokus von der Aufgabenerledigung (Input) und den gelieferten Objekten oder Dienstleistungen (Output) hin zum Ergebnis (Outcome) und damit zum Nutzen und Sinn dessen, was getan wird.
Die Einführung und Anwendung von OKR hat auch einen Nutzen für die Organisation, die sie anwendet: Weniger sinnlose Aktivitäten (“Geschäftiges Tun”) und stattdessen ein stärkerer Fokus auf die Effektivität der Organisation und eine aktivere Beteiligung an den wesentlichen Prozessen.

Fallbeispiele

Umsetzung des zweiten Schrittes: Die Einführung von OKR im Unternehmen 

Ein Unternehmen mit 80 Mitarbeitenden entscheidet sich, die OKR-Methodik zunächst nur im Führungskreis von fünf Personen ausführlich vorzustellen und einzuführen. Da es alle Mitarbeitenden indirekt mitbekommen sollten - ohne jedoch im ersten Schritt konkret eingebunden zu sein - wurden alle Treffen bewusst im ‘Aquarium’ (dem zentralen, gläsernen Besprechungsraum des Unternehmens) abgehalten, so dass es alle Mitarbeitenden mitbekommen und Interesse geweckt wurde.
Die Rechnung ging auf: Die gemeinsame Ausrichtung (Alignment) mit den OKRs begann bereits in dieser Vorstufe und erzeugte die gewünschte Kommunikation und Neugier.

Umsetzung des dritten Schrittes: Formulierung von Zielen und Schlüsselergebnissen eines OKR-Teams

Ein Unternehmen möchte das Erlebnis auf dem hauseigenen Online-Shop auf der Website für die Nutzer attraktiver gestalten.
Formuliertes Objective: “Unsere Besucher:innen haben mehr Freude beim Einkaufen und sie entdecken dadurch mehr neue Produkte”.
Mögliche Schlüsselergebnisse:
  • “Die Verweildauer auf der Webseite steigt auf über fünf Minuten.”
  • “Net Promoter Score liegt über 7.”
Fiktiver Kommentar des CEO: "Wir verwenden OKRs erst seit zwei Monaten und ich kann ehrlich sagen, dass es eine der besten internen Entscheidungen war, die ich als CEO je getroffen habe. Ich empfehle dringend, OKRs so früh wie möglich in die Unternehmenskultur zu integrieren, um sicherzustellen, dass Transparenz, Fortschritt und Zielklarheit im Mittelpunkt des Start-ups stehen.

Überlegungen: Wie OKR Nutzen stiftet

Die Vorteile der Anwendung der OKR-Methodik lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Sie diszipliniert das Denken (die Hauptziele bleiben immer und für jeden sichtbar).
  • Sie fördert und fordert eine präzise Kommunikation (jeder weiß, was wichtig ist).
  • Sie setzt Indikatoren, um Fortschritte zu messen (zeigt, wie weit man gekommen ist).
  • Sie bündelt die Anstrengungen auf vertikaler und horizontaler Ebene (hält die Organisation zusammen und in Kontakt).
Es wird nochmals betont, dass OKRs nicht als Ausschluss oder Gegensatz zu KPIs zu verstehen sind. Eine Integration beider Methoden ist möglich und sinnvoll.
KPI-Ziele haben den Vorteil, dass sie erreichbar sind und das Ergebnis (Output) eines bereits etablierten Prozesses darstellen. Sie können auch zu einer Verbesserung oder Skalierung des Bestehenden führen.
OKR-Ziele sind offensiver und ehrgeiziger. Sie ermöglichen und verstärken die aktive Gestaltung und Wachsamkeit aller, um diese ehrgeizigen Visionen zu erreichen. Durch die freiere Gestaltung des “Wie” der Zielerreichung wird Innovation, Neues, Größeres und Unvorhergesehenes bewusst in die Prozesse und Strukturen des Unternehmens integriert.
Da die Digital Transformation Map als ganzheitlicher Ansatz konzipiert ist, sei abschließend auf die Bedeutung der OKR-Methodik hingewiesen. Nach Sinek's Golden Circle ist es wichtig, immer mit dem "Wozu" zu beginnen. Wozu will man als Unternehmen die Digitalisierung anstoßen?
Beginnt man sich mit OKR zu beschäftigen und im besten Fall auch zu implementieren, bleibt es nicht bei einer grob formulierten Sinnfrage (die im schlimmsten Fall mit einem zynischen “Was muss, das muss” beantwortet wird), sondern nutzt den strategischen Rahmen gleich, um eine ambitionierte Vision mit klaren Zielen und Key Results zu definieren.
Auf diese Weise pflanzt man den Samen für das “Wozu” mit einem “Wofür” der Organisation, indem man eine Methode einführt. Dies war auch der ausschlaggebende Grund für die Wahl dieser Methodik als ersten Band der Leitfäden bzw. Playbook-Reihe.
Sie gibt ein Modell an die Hand, das bei jedem weiteren Schritt, bei jeder Überprüfung einzelner Methoden (auch des OKR selbst), eine Sinnkopplung und strategische Ausrichtung ermöglicht - und damit einen großen (Spiel-)Raum für Ideen- und Innovationsprozesse eröffnet.

Checkliste zur Einführung von OKR

  • Welche Werte und Prinzipien der OKR werden in unserer Unternehmenskultur bereits gelebt? Bzw. ist die Organisation (insbesondere das Management) bereit, die Unternehmenskultur dahingehend zu verändern?
    • Gemeinsame Ausrichtung (Alignment)
    • Transparenz
    • Verpflichtung und Verbindlichkeit (Commitment)
    • Selbstorganisation 
  • In welchem Bereich meiner Organisation ist die Einführung von OKR sinnvoll?
    • Wer bildet das OKR-Team?
    • Wer ist der OKR-Master? (intern/extern?)
  • Besprechungsphase planen: Vorstellung und Einführung des OKR-Modells auf Führungsebene
    • Leitbild/Vision für unsere Organisation formulieren:
      • Wofür existieren wir?
      • Was wollen wir erreichen?
      • Kriterium: ein bis zwei Sätze, in Anwesenheit formuliert
      • Formulierung des mittelfristigen 12-Monats-Ziels (MOAL)
      • Kriterium: im Präsenz formuliert; qualitativ; ergebnisorientiert: eine Transformation der Welt/Gesellschaft/Zielgruppe hat bereits stattgefunden
  • Erstes Treffen des OKR-Teams und des OKR-Masters
    • Vorstellung und Einführung in das Modell
    • Vorstellung der Vision und des MOAL
  • OKR-Master führt den ersten Zyklus mit dem OKR-Team durch (3-4 Monate)
    • Zu Beginn: Planungsphase (OKR Planung, 4 Stunden)
    • Während des Zyklus: Wöchentliche Treffen (OKR Weekly, je 15 min)
    • Am Ende: Inhaltliche Bewertung (OKR Review, 2 Std.) und systemische Analyse (OKR Retrospektive, 2 Std.)

Veranstaltungshinweise, weitere Informationen

Monatlich werden nach und nach und in Wiederholungen die einzelnen Methoden der IHK Digital Transformation Map in kostenfreien Online-Impulsen vorgestellt.
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Unter Online Impulse IHK Digtial Transformation Map finden Sie alle Termine und die Anmeldemöglichkeiten. 
Viele weitere Online-Impulse mit dem Augenmerk auf digitale Themen finden sich unter de Veranstaltungsübersicht impulsnetzwerk.ihk.de.
Hinweis zum generischen Maskulinum unter Einsatzfelder der IHK Digital Transformation Map.

Quellenangaben

  • Sinek, Simon: Frag immer erst: warum: Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren, Redline, München 2014.
  • Schmitt, Michael C.: Key-Performance-Indikatoren und Erfolgsmessung. In: Quick Guide Digitale B2B-Kommunikation. Quick Guide. Springer Gabler, Wiesbaden 2019. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14213-1_12
  • Doerr, John: OKR. Objective and Key Results: Wie Sie Ziele, auf die es wirklich ankommt, entwickeln, messen und umsetzen. Vahlen 2018.
  • Schmidt, Eric und Rosenberg, Jonathan: How Google Works. Grand Central, New York 2014.
  • Lobacher, Patrick und Jacob, Christian: Objectives & Key Results (OKR). Das agile Betriebssystem für moderne Organisationen. Die.agilen, München 2020.
  • Lobacher, Patrick und Jacob, Christian: OKR – kurz & klar. Objectives & Key Results. Die.agilen, München 2021.
  • Beispiel einer OKR-Software Mooncamp: https://mooncamp.com
(Autoren: Gordon Geisler, Emmanuel Beule Herausgeber: Emmanuel Beule, Stand 15.1.2024)