Neuen Normalität und digitale Führung von Unternehmen

Wie lassen sich Homeoffice-Regelungen, getrennte Schichten, digitale Kommunikation und interne Planung aus der Ferne gestalten, während die Handlungs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmen auf dem Spiel stehen? Holen Sie sich in dieser speziellen Artikel-Serie Impulse über Methoden aus der Wissenschaft und der Praxis, wie sich Veränderungen und Transformationen, gerade jetzt in Zeiten der Corona-Krise, gestalten lassen.  
Bannerbild Neue Normalität
Wie lassen sich Homeoffice-Regelungen, getrennte Schichten, digitale Kommunikation und interne Planung aus der Ferne gestalten, während die Handlungs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmen auf dem Spiel stehen?  
Ausnahmslos sind wir alle von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. In kürzester Zeit müssen wir lernen, mit der neuen Situation, der „neuen Normalität“ umzugehen. Für die Inhaberinnen und Inhaber bzw. Führungskräfte von Unternehmen und deren Mitarbeitenden ist das leichter gesagt als getan.
Umsätze brechen ein, Lieferanten können nicht mehr in der gleichen Frequenz liefern wie gewohnt, Beschäftigungsverbote treffen ganze Branchen oder Forderungen werden durch eine Kettenreaktion nicht rechtzeitig beglichen. Die Zukunft vieler Betriebe scheint nicht mehr gewiss. Ob Kurzarbeit, Soforthilfeprogramme für Unternehmen kleiner 50 Mitarbeitende oder Kredite für größere Betriebe setzt unser gesamtes System - und damit Menschen - massiv unter Druck
Unternehmen spüren die Auswirkungen des Lockdowns und die der politisch erteilten Kontaktsperre. Scheint das Leben auf der einen Seite eingeschränkt, kommen weiterhin täglich Millionen Menschen ihrer Arbeit nach, pendeln zu ihren Arbeitsstätten. All dies ist nur möglich, weil viele Unternehmen weiterhin funktionieren und sich sowohl professionell, aber auch mit Improvisationsgeschick auf neue Arbeitsweisen eingelassen haben.

Warum improvisiert?

Etwa 50% der deutschen Unternehmen verfügen über Krisennotfallpläne. Davon sind laut Studien dennoch weniger als 50% gut auf Krisen vorbereitet. Die gut vorbereiteten Unternehmen handeln im Krisenfall in der Regel linear mit hierarchischen Konzepten, da sich diese Vorgehensweise als geeignet erweist. Konzerne bzw. Großbetriebe verfügen häufig über solche Pläne, doch ist der Aufwand für kleinere, mittelständige Betriebe im Tagesgeschäft enorm, oft nicht zu realisieren - Improvisation wird unumgänglich. Wir erleben diese Improvisation derzeit in einem nie dagewesenen Umfang.
Das erwähnte Improvisationsgeschick lässt sich folgendermaßen beschreiben. Wie nie zuvor scheint sich der sog. partizipative Führungsstil als das probate Mittel der ersten Krisenphase zu etablieren.
Führunsstile
Manchen Führungskräften ist dieser Stil vielleicht nicht einmal bewusst. Damit ist gemeint, dass sich operative Lösungen zum Fortbestand der Handlungsfähigkeit eines Unternehmens sowohl auf Seiten der Führungskräfte als auch mit Hilfe der operativen Ebenen aktiv entwickeln und realisieren lassen.
Wir sind alle von den neuen Herausforderungen und Problemen betroffen. Umsätze und damit Gewinne brechen ein, Just-in-Time Lieferketten sind in Gefahr oder schon unterbrochen. Aber: Es entsteht eine Dynamik, die die meisten Beschäftigten eines Unternehmens über sich hinauswachsen lässt. Sie geben alles zum Erhalt des Betriebes. Das Ergebnis: Viele Unternehmen erfinden sich organisatorisch neu, das ist seit Wochen zu beobachten. Dabei ist ein Trend deutlich erkennbar. Digitale Anwendungen und Hilfsmittel erleben einen Boom, so wie es sich viele Berater, digitale Evangelisten und Digitalisierungsanbieter immer gewünscht und sich manche Verantwortliche nicht erträumt haben.

Anpassung versus Veränderung versus Transformation

Administrative Tätigkeiten sind in Homeoffices verlagert, Menschen in Schichten werden zum Erhalt der Produktionsfähigkeit so getrennt, dass im Fall einer Infektion der Betrieb nicht in Gefahr gerät. Variable Arbeitszeiten, bspw. dank Homeschooling, stellen den organisatorischen Ablauf von Unternehmen und Familien auf den Kopf. Meetings zur Abstimmung werden per Videotelefonie abgehalten und, wenn möglich, mittels vorhandener oder spontan eingeführter kollaborativer Kommunikationstools auch digital fortgeführt.
Eine erste Zwischenbilanz: All dies scheint momentan sehr gut zu funktionieren, meist geht der Betrieb, wenn auch eingeschränkt, weiter. Nach dieser Phase ist für die neue Struktur bzw. neue Normalität unbedingt Methodik gefragt. Es wäre fatal zu glauben, ein Unternehmen habe in dieser Zeit bereits eine vollständige Transformation durchwandert.
Jetzt ist es besonders wichtig, realistisch zu evaluieren, ob eine Anpassung an die äußeren Umstände stattgefunden hat oder man sich bereits in einem Veränderungsprozess befindet. Mit anderen Worten: Hat sich die Unternehmenskultur nachhaltig verändert oder wurde nur der betriebliche Ablauf an die neuen Gegebenheiten angepasst?
Durch die Pandemie erfahren wir gerade einen ungeahnten Digitalisierungshype. Dinge, die vorgestern organisatorisch undenkbar waren, sind heute möglich, um den Betrieb handlungsfähig zu halten.  Aber: Was wir unter digitale Transformation verstehen, ist ein langwieriger Prozess. Ein Verfahren, was methodisch begleitet werden sollte. Es sind nicht die Softwareanwendungen oder digitale Lösungen, die ein Unternehmen nutzt, sondern die kontinuierliche Gestaltung von Prozessen, des Geschäftsmodells und der Unternehmenskultur.

Prüfstand der Unternehmens- und Führungskultur

Die Zeit für die Entwicklung von neuen organisatorischen, geschweige digitalen Lösungen hatten viele Unternehmen und Organisationseinheiten während der Pandemieanfangsphase nicht. Viele Betriebe müssen sich rasant den Umständen anpassen, aber eine gezielte und geplante Veränderung, geschweige einer Transformation, entspricht das nicht.
Homeoffice, Telearbeit, Videokonferenzen etc. pp. boomen, doch wird relativ schnell auch die Phase der Ernüchterung eintreten. Nämlich dann, wenn die neue Normalität auf die alten Unternehmensgewohnheiten trifft und die ‚neue Arbeitswelt‘ nicht mehr mit der alten Unternehmenskultur und dem Führungsduktus zusammenpasst.

Ein probates Mittel: Klarheit

Klarheit ist das Gebot der Stunde. Doch wie und über was lässt sich Klarheit herstellen? Das VUKA-Modell hilft dabei, wie wir unser Umfeld und die Herkunft unserer möglichen Probleme überprüfen, einordnen und Lösungen erarbeiten können.
VUKA Modell
Auf der linken Seite der Abbildung sind die Problemfelder der heutigen Zeit abgebildet. Ein vereinfachtes Beispiel: Mit Volatilität ist gemeint, dass Aktienkurse schwanken oder Rohstoffpreise Tiefen- und Spitzenzeiten genießen. Aber auch jegliche Informationen verhalten sich wechselhaft. An einem Tag scheint die Welt am Abgrund, am anderen Tag scheint es, als sei der Wohlstand nicht zu überbieten. Solche Überinformatisierungen führen zwangsläufig zu Unsicherheiten.
Hinzu kommt, dass die Komplexität von Prozessen, einer globalen Vernetzung oder von Gesetzen und Verordnungen massiv zugenommen hat. Dadurch werden Informationen mehrdeutig (Ambiguität) und eine Kultur des sich nicht konkreten Festlegens und Entscheidungen fällen könnens hat sich etabliert.
Als Antwort auf diese Problematik ist die rechte Seite der Abbildung hilfreich. Aus volatilen Informationen gilt es Visionen zu entwickeln. „Wir schaffen das.“ ist aktuell ein perfektes Beispiel einer zwar schwachen, ausformulierten Vision, aber deutlich in der Botschaft. Natürlich gilt es, dies in der Praxis genauer zu bestimmen, hier wird nur exemplarisch das Modell beschrieben.
Da das Modell aus dem englischen stammt, VUCA, steht der zweite Buchstabe für Understanding (zu Deutsch Verstehen bzw. Verständnis). Es ist wichtig, sich in Probleme und deren Anforderungen, sie zu bewältigen, hineinzuversetzen. Wissenslücken sind zu schließen und häufig wird in diesem Zusammenhang das lebenslange Lernen erwähnt.
Klarheit bedeutet, deutlich und zweifelsfreie Botschaften zu verteilen und Handlungsrahmen herzustellen. Beispiel: „Was ist in Ordnung“-Regeln versus „Was ist nicht in Ordnung“-Regeln schriftlich festhalten.
Agilität ist ein großes Wort und etabliert sich u.a. durch die Megatrends New Work oder das englische ‚Agile‘ immer stärker. Agile Methoden werden oft mit führungslosen und flachen Führungsmodellen in Verbindung gebracht. Grundsätzlich verbirgt sich dahinter parallele Handlungs- und Projektmanagementfähigkeiten herzustellen, in den unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen, um Entscheidungs- und Verantwortungsbereiche, aber ganz besonders eine Innovationsfähigkeit zu stärken. 
Über allem ist das Element Klarheit das wichtigste Element. Nur mit einer bedingungslosen Klarheit kann eine erforderliche Wissensgerechtigkeit auf allen Ebenen hergestellt werden. Wissensgerechtigkeit bedeutet nicht, dass alle alles wissen müssen. Es bedeutet, dass sich die Unternehmerin bzw. der Unternehmer darauf verlassen kann, dass alle Mitarbeitenden im Betrieb die gleiche Zielrichtung und für die eigene Arbeit erforderlichen Handlungsräume kennen.

Gestalten der neuen Normalität

Sicherlich drängen sich für Unternehmen und Freiberufler akut viele Fragen gleichzeitig auf: Wie soll es mit dem Unternehmen weiter gehen? Wie verhalten sich die Kunden, Lieferanten, Banken oder Verpächter? Sind Lieferketten noch aufrecht zu erhalten und wenn ja, wer kauft jetzt noch Dienstleistungen oder Waren ein, wenn die Wirtschaft quasi zum Stillstand gekommen ist? Woher bekomme ich die richtigen, aktuellen Informationen staatlicher Auflagen und staatlicher Hilfen? Bleiben die Mitarbeitenden dem Unternehmen erhalten? Und last but not least: Wie geht es in den kommenden Monaten weiter?
Für viele Arbeitgebende und Führungskräfte kommt die erschwerende Frage hinzu: Wie und über welche Kanäle kommuniziere ich mit meinen Mitarbeitenden? Welche Aufgaben sind zu erhalten oder welche Projekte sollten trotz der Umstände weitergehen?
In dieser Impuls-Serie erhalten Sie im nächsten Artikel Anregungen darüber, wie Sie Ihr Unternehmen in Sachen Kommunikation durch die Pandemie-Krise manövrieren können. Der Artikel behandelt zudem was mit Kommunikation im digitalen Zeitalter passiert bzw. wie sich die Kommunikation verändert. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht gegeben werden, aber ein aus dem Feld gesammelter Erfahrungsaustausch soll für die richtigen Impulse sorgen.
Lesen Sie dazu den Expertenbeitrag von Dr. Marcel Dräger: Wenn Kommunikation Klarheit bringen soll, muss sie selbst klar sein. 
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(Autor: Emmanuel Beule)